Da ist was dran: „Wenn ein biologisches Mädchen sage, es ‚fühle‘ sich als Junge, sei dies zunächst einmal eine in sich selbst nicht vollständig logische und nicht schlüssige Aussage, denn ein Mädchen könne nicht wissen, wie es ist, sich als Junge zu fühlen, da es nie ein Junge war.“
Zu dieser Einsicht gelangten 15 Professoren der Kinder- und Jugendpsychiatrie. Sie kritisieren die geplante, trans-affirmative Behandlungsleitlinie für Kinder und Jugendliche, die angeben an „Geschlechtsdysphorie“ zu leiden (KeinMädchen berichtete). Ihre Kritik haben sie in einem 100-seitigen Fachkommentar verschiedenen Medien wie der Welt und dem Ärzteblatt vorgelegt. Bald wollen die Ärzte eine gekürzte Fassung veröffentlichen. Vor kurzem hatte bereits die Elterninitiative „TransTeens Sorge berechtigt“ massive Kritik an der neuen Leitlinie, die sich an den Vorgaben der Trans-Lobby orientiere, in einem offenen Brief geäußert.
Das sind die wichtigsten Kritikpunkte und Forderungen der 15 Professoren:
Der aktuelle Entwurf der Leitlinie müsse durch die federführende „Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie (DGKJP)“ dringend und substanziell überarbeitet oder zurückgezogen werden.
Er enthalte „viele kritische Punkte“, vor allem „potenziell irreversible, biomedizinische Maßnahmen bei körperlich gesunden Minderjährigen.“
Die Leitlinie lege einen „regelhaften Einsatz von Maßnahmen“ nahe, deren Wirksamkeit und Nachhaltigkeit bisher nicht ausreichend wissenschaftlich belegt seien. Es sei nicht erforscht, ob pubertätsblockierende Medikamente, gegengeschlechtliche Hormone und operative Eingriffe bei Kindern und Jugendlichen eine Verbesserung der psychischen Gesundheit und eine Linderung der Geschlechtsdysphorie bewirken.
Die Leitlinie stehe sie im Gegensatz zu den jüngst aktualisierten Empfehlungen mehrerer anderer europäischer Länder. Und sie ignoriere neueste medizinische Erkenntnisse. So belege etwa eine aktuelle niederländische Untersuchung, dass eine Geschlechtsunzufriedenheit bei Elfjährigen in 98 Prozent der Fälle verschwinde.
Die Leitlinien würde die Erwartung wecken, dass Minderjährige ihre Unsicherheiten durch Medikamente oder Operationen beseitigen könnten. Das sei gefährlich.
Psychische Probleme können die Ursache für eine „Geschlechtsverwirrung“ sein. Daher sei es „absurd, die Psychotherapie als Konversionstherapie abzutun und auf Medikamente und Operationen zu setzen, obwohl es keine ausreichenden wissenschaftlichen Belege gibt, dass es Minderjährigen nach einer medizinischen Transition langfristig eindeutig besser geht als vorher.“
Da Identität als offene Entwicklung verstanden werde, sei es unbedingt notwendig, nach den Motiven zu fragen, bevor eine medizinische Behandlung erfolge. Womöglich sei eine Psychotherapie doch die sinnvollste Variante, um eine längerfristige Lebenszufriedenheit zu erreichen.
Die Unabhängigkeit des biologischen Geschlechts von der sogenannten „Geschlechtsidentität“ sei weder medizinisch noch wissenschaftlich erwiesen. Doch die neue Leitlinie gehe genau davon aus. Daher betonen die Ärzte: „Das biologische Geschlecht wird nicht bei Geburt zugeschrieben oder in irgendeiner Weise willkürlich zugewiesen.“ Das biologische Geschlecht eines Neugeborenen sei in aller Regel „unmittelbar nach der Geburt eindeutig feststellbar.“ Die in der Leitlinie verwandte Formulierung, das biologische Geschlecht werde „bei der Geburt zugewiesen“, suggeriere eine willkürliche Entscheidung, die so nicht zutreffe.
Aus diesem Grund sei der Ansatz der Leitlinie, die Kinder sollten selbst darüber urteilen, welches Geschlecht für sie passend sei, als falsch abzulehnen. Wenn dann noch Ärzte dazu angehalten werden, sie darin zu unterstützen, sei dies „medizinisch nicht korrekt und irreführend“.
Die Experten ziehen ein Fazit, dass die ideologische Ausrichtung der neuen Leitlinie noch einmal vor Augen führt:
Alle biomedizinischen Maßnahmen der Leitlinie zielen „auf eine optische Veränderung des Aussehens gemäß einer subjektiven und gegebenenfalls temporären Wunschvorstellung bei Minderjährigen mit primär physiologisch gesunden Körpern ab“.
„Eine tatsächliche Änderung des biologischen Geschlechts ist nach heutigem Kenntnisstand medizinisch nicht möglich.“ Der unwissenschaftliche sprachliche Ausdruck der „Angleichung“ müsse darum im Interesse der minderjährigen Betroffenen in der Leitlinie vermieden werden.
Wie kam es zum rein trans-affirmativen Kurs der Leitlinie?
Hierzu lohnt sich ein Blick in einen weiteren offenen Brief. Eine internationale Allianz von Elternorganisationen hat unter Führung der Schweizer Gruppe AMQG neben ihrer inhaltlichen Kritik an der trans-affirmativen Behandlung von Minderjährigen auch scharf gegen die Zusammensetzung der Leitlinienkommission protestiert:
- Der Vorsitzende der Leitlinienkommission, Dr. Georg Romer ist Mitglied von WPATH und leitet das Center for Transgender Health in Münster mit dem Ziel, das europäische Transgender-Zentrum zu werden. Viele der Leitlinienautoren betreiben selbst Spezialzentren oder Praxen für „Trans“-Jugendliche.
- Die „unabhängige“ schwedische Expertin Cecilia Dhejne ist Mitglied der WPATH und hat an den neuesten Behandlungsempfehlungen „Standards of Care 8“ mitgewirkt, die wegen des Verzichts auf Altersbeschränkungen für Minderjährige und der Einführung der „Eunuchen-Geschlechtsidentität“ stark kritisiert wurden. Dhejne erhielt die Auszeichnung FPES Trans Hero 2016. Schweden selbst ist nach einer systematischen Überprüfung der „Standards of Care“ der WPATH abgekehrt.
- Die Zusammensetzung des Leitlinienkomitees ist auf das „affirmative“ Behandlungsmodell zugeschnitten, da es von einem WPATH-Mitglied geleitet wurde, WPATH-Mitglieder und „transaffirmative“ und transaktivistische Organisationen eingeladen hatte und praktisch jeden ausschloss, der einen anderen Standpunkt vertrat.