Der Jugendpsychiater Michael Kölch hat der WELT ein Interview („Trans ist kein Massenphänomen“) über Trans-Kinder gegeben und wir sind mit vielem, was er sagt, nicht einverstanden. Am besten gehen wir die Fragen der Reihe nach durch und stellen unsere Antwort dahinter, allerdings werden wir kürzen, sonst geht uns der Platz aus 😉
WELT: Herr Kölch, laut Selbstbestimmungsgesetz sollen Jugendliche ab 14 sollen die Jugendlichen die Erklärung zum Geschlechtswechsel mit Einverständnis der Eltern selbst abgeben dürfen auf dem Standesamt. Finden Sie die Regelungen angemessen?
Michael Kölch: Ja, ab 14 Jahren billigt man Jugendlichen auch in anderen Bereichen des Rechts einen gewissen Reifegrad zu.
KeinMädchen: Was? Alkohol ab 16, Tattoos ab 18, Autofahren ab 18 – aber die offizielle amtliche Bestätigung kein „richtiges Mädchen“ zu sein, soll total harmlos sein und hat keine Folgen? Jetzt bekommt Mia einen Perso, der aus ihr einen Tyler macht, und mit dem kann Mia nun zu einem Arzt gehen und Testosteron fordern. Was soll der Arzt noch groß sagen, wenn Mia mit ihrem Tyler-Ausweis vor seiner Nase rumwedelt? Soll er sagen, hör mal zu Mia, wir schauen erstmal, was Du alles für psychische Probleme im Gepäck hast, bevor wir Deine Brüste abschneiden?
WELT: Wie hoch ist der Anteil der Trans-Kinder an allen Kindern und Jugendlichen?
Kölch: In der Diskussion hat das Thema eine gewisse Überwertigkeit bekommen. Es sind aber nach wie vor relativ wenige – eher im einstelligen Prozentbereich oder gar im Promillebereich. Trans ist kein Massenphänomen. Ich rechne nicht damit, dass die Standesämter jetzt von Jugendlichen gestürmt werden.
KeinMädchen: Klar, wir machen unsere Seite, weil es so extrem selten ist. Hat sich Herr Kölch schon mal mit seinen Kollegen unterhalten? Die Wartelisten sind randvoll mit Mädchen, die ins andere Geschlecht „wechseln“ wollen. Hat er mal Lehrer gefragt? Es gibt keinen Lehrer mehr, der das nicht täglich als Thema in seiner Schule hat. Hört er sich eigentlich selbst zu? Einstelliger Prozentbereich! Wenn bei hundert Mädchen eins dabei ist, würden wir sagen, in Summe ergibt das eine ziemliche MASSE!
WELT: Warum wird das Phänomen erst seit einigen Jahren diskutiert? Liegt das an der zunehmenden Sichtbarkeit und gesellschaftlichen Offenheit, dass junge Menschen es wagen, sich zu offenbaren?
Kölch: Das kann man durchaus sagen. (…) Es gab einfach einen großen gesellschaftlichen Wandel, der mehr Diversität ermöglicht – daher werden auch Geschlechterrollen anders gelebt und von Jugendlichen anders ausprobiert. Transidentität gab es immer schon. Aber es gibt heute mehr Aufmerksamkeit dafür, und man kann den Schritt auch leichter gehen. Deshalb wird das Phänomen auch verstärkt wahrgenommen.
KeinMädchen: Damit wir es richtig verstehen: Pubertierende Mädchen wollten sich schon immer scharenweise zu Jungs umoperieren lassen, aber das war nicht möglich, weil die Gesellschaft noch nicht so weit war? Das Phänomen war schon immer da, nur jetzt wird es „verstärkt wahrgenommen“? So richtig greifbar ist das nicht, was er sagt. Aber er ist nicht der Einzige, der den Trans-Hype unter Mädchen mit der offener gewordenen Gesellschaft erklärt. Ziemlich dumme Erklärung, denn was ist mit pubertierenden Jungs, warum sind die kein Massenphänomen? Was ist mit 30-jährigen Frauen, oder mit Rentnern? Warum hat es die offenere Gesellschaft bisher nur Mädchen ermöglicht, zu ihrem „wahren Geschlecht“ zu stehen?
Übrigens werden die hohen DeTransitioner-Zahlen damit erklärt, dass die Gesellschaft transphop sei .. ja, was denn nun? 😀
WELT: Kritiker sagen, die eklatante Zunahme von Trans-Jugendlichen weise darauf hin, dass es sich um einen Trans-Hype handele. Viele der Jugendlichen seien vielleicht einfach homosexuell. Was ist ihre Erfahrung?
Kölch: Daher sind wir auch extrem zurückhaltend mit medizinischen Maßnahmen. In diesem Altersabschnitt sehen wir noch viele Entwicklungen und Verläufe. Kindheit und Adoleszenz ist die Zeit der größten Entwicklung, die in dieser Zeit auch noch hoch variabel ist. Um es banal zu sagen: Die Persönlichkeit bildet sich in dieser Phase, und vieles beeinflusst die Persönlichkeit und kann sich in dieser Phase ändern. Das gilt von beruflichen Wünschen bis hin zur sexuellen Orientierung oder Identität. Es ist eine Phase der Entwicklung und des Ausprobierens, in der es oft keine linearen Verläufe gibt. Und das ist ja auch gut so.
Eine medikamentöse Behandlung sollte daher sehr zurückhaltend erfolgen. Es gibt aber natürlich Fälle, in denen man bereits früh damit anfängt, wenn die Geschlechtsinkongruenz schon seit Kindheitsbeinen besteht.
KeinMädchen: Da hat er mal was Gutes gesagt!
WELT: Wie wichtig ist es, zunächst eine soziale Transition zu durchlaufen und sich in der neuen Rolle auszuprobieren?
Kölch: Das empfehlen wir immer. Es geht ja nicht allein um den Körper, sondern auch um das Ausprobieren der Geschlechterrolle. Die soziale Erprobung ist zentral. Der Gesetzgeber hat deshalb auch vorgesehen, dass die einjährige Wartefrist, die es vor einem erneuten Wechsel des Geschlechtseintrags geben soll, für Kinder und Jugendliche nicht gilt. Der Weg zurück muss immer möglich sein.
KeinMädchen: Oha, er scheint eher Theoretiker als Praktiker zu sein. Schauen wir doch mal in die achte Klasse von Mia: Mia hat sich geoutet als trans, Haare ab, Jungsklamotten, Brustbinder, neue Pronomen und alle sollen sie Tyler nennen. Weil absolut niemand transphob sein will, macht jeder mit. Weil jeder super-tolerant und weltoffen sein will, hört Mia ständig: Wow, Tyler, was für ein mutiger Schritt! Du weißt, dass ich total unterstützen werde. Ich habe allergrößten Respekt vor dem Weg, den Du da gehst. Ich bin mir sicher, dass du das schaffst, ich glaub an dich, Tyler! Sogar die Lehrer spielen mit und sogar im Schulzeugnis steht Tyler. Was Mia erlebt, ist ein absoluter sozialer Rausch. Theoretisch kann Mia sagen, ne Leute, hört mal alle her, das war ein Fehler, habs mir anders überlegt. Praktisch sieht es eher so aus: Mit jeder gut gemeinten Bestätigung der Tyler-Identität, steigert sich Mias Hass auf ihren Mädchenkörper. Der Weg zurück ist verbaut, sie würde ihr Gesicht verlieren und das ganze soziale Prestige ihrer Tyler-Identität wier aufgeben. Wenn alle anderen und sogar die Lehrer überzeugt sind, dass sie kein richtiges Mädchen ist, sind Testosteron und Brustamputation die logische Konsequenz.
WELT: Wird mit einem Wechsel des Geschlechtseintrags nicht letztlich eindeutig der Pfad in Richtung körperliche Transition eingeschlagen?
KeinMädchen: Gute Frage! Ja, kann man so sagen!
Kölch: Von unserer Haltung her nicht. In der vulnerablen Entwicklungszeit der Adoleszenz muss man den Jugendlichen in seinen Bedürfnissen ergebnisoffen begleiten. Dazu gehört aber auch, dass man versucht, spätere Entwicklungen zu antizipieren – etwa das Thema eigene Kinder. Das braucht Zeit. Gleichzeitig reift in dieser Zeit der oft ungeliebte Körper heran. Das ist das Spannungsfeld, dem die Jugendlichen ausgesetzt sind. Manche empfinden das als sehr quälend, andere sind da entspannter.
KeinMädchen: Nochmal, bis es auch Herr Kölch kapiert: Was soll ein Arzt noch sagen, wenn ein Mädchen mit dem geänderten Personalausweis ankommt? Der Staat hat die Diagnose ja vorweggenommen. Und nicht nur das: Das im neuen Gesetz enthaltene Offenbarungsverbot verbietet es dem Arzt sogar unter Strafandrohung, die neue Identität seiner Patienten noch in Frage zu stellen. Das Selbstbestimmungsgesetz beendet also jede ergebnisoffene Therapie. Und es zieht auch einen Schlussstrich unter die Identitätsfindungsphase der betroffenen Teenager. Wer erst einmal die offiziell-amtliche Bestätigung in seinen Händen hält, kein „richtiges Mädchen“ zu sein, kommt emotional aus dieser Nummer kaum noch heraus. Jeder weiß nun Bescheid und muss mitmachen bei diesem verlogenen Spiel. Mit jeder gut gemeinten Bestätigung als Junge wird die Dysphorie für das Mädchen unerträglicher. Es ist die nur logische Konsequenz, dass dann möglichst bald der „falsche Körper“ an die neue Geschlechtsidentität angepasst werden muss. Man sollte also klar festhalten: Das Selbstbestimmungsgesetz führt Kinder in die Gender-Klinik!
WELT: Was raten Sie Eltern, deren Kind sich als trans outet? Für viele dürfte das ein ziemlicher Schock sein. Wie können sie es am besten begleiten?
Kölch: Das sind oft schmerzliche Auseinandersetzungsprozesse, da der Wunsch von Eltern oftmals ein anderer ist. Wir raten Eltern das, was man Eltern in solchen Konfliktfällen immer rät: erstmal den Jugendlichen in seiner Person zu unterstützen und über Probleme zu sprechen. Jeder Mensch hat ein Recht auf sein So-Sein. Aber natürlich sind Kinder und Jugendliche in Familien eingebunden – insofern haben auch Eltern ein Recht auf ihr So-Sein. Das heißt nicht, dass das Elternrecht über das Kinderrecht hinweggehen darf. Aber Eltern dürfen auch ihre emotionale Befindlichkeit äußern.
KeinMädchen: Was heißt „in seiner Person zu unterstützen“? Die Tochter als Tyler anreden und ihr Brustbinder zum 15. Geburtstag schenken? Nein, Eltern sollten das Spiel nicht mitspielen, sich keine Regeln diktieren und nicht von Selbstmorddrohungen kirre machen lassen. Einem magersüchtigen Mädchen würde man auch nicht sagen: Ja, du bist dick und hier hast du Abnehmpillen und morgen gehen wir zur Magenverkleinerung. Wenn aussitzen nicht hilft, sollten Eltern einen Familientherapeuten suchen, und zwar einen, der Mia nicht als Tyler anredet.