Bist du trans, oder einfach nur bequem?

Ja, das ist eine provokante Frage! Aber wisst ihr, was in den vielen Lebensgeschichten der Mädchen, die glauben, trans zu sein, wirklich auffällt? – Die allermeisten sind passiv. Sie lassen sich alles gefallen.

Es geht schon passiv los:

„Ich wurde voll oft für einen Jungen gehalten.“

„Meine Eltern sagen, ich soll mich anders verhalten – wie ein Mädchen.“

„In der Schule passe ich überhaupt nicht zu den ganzen Mädchen.“

Es geht darum, wie die anderen einen sehen. Die Kommentare und Blicke der anderen bestimmen, wie man sich selbst sieht. Man macht sich zum passiven Spielball der anderen – entweder, man passt sich an, und erfüllt alle Erwartungen an das hübsche, süße Schulmädchen mit bester Freundin, oder man bricht aus dem Schema aus: Dann durchbricht man provokant alle Erwartungen mit Anti-Haltung und Anti-Mode. So oder so: Man re-agiert! „Ich bin anders als alle anderen!“ Aber wer wäre man ohne die anderen? Klar, der Mensch funktioniert nur im Abgleich mit anderen Menschen. Aber gerade junge Menschen machen sich oft komplett abhängig von der Meinung ihres Umfelds. Wer wäre man, wenn man nicht nur passiv auf die Leute um sich herum reagieren, sonder seine Identität auch ein gutes Stück weit aktiv gestalten könnte?

Die nächste große Frage ist: Wie viel lassen wir uns eigentlich von uns selbst gefallen? Oft sieht es doch so aus: Die Ängste und das Gefühlschaos haben die Kontrolle – man selbst bleibt passiv:

„Was stimmt nicht mit mir?“

„Warum widert mich das ganze Mädchen-Sein so an?“

„Wer bin ich wirklich?“

Angststörungen und Depressionen werden bei Jugendlichen immer häufiger diagnostiziert. Wieder ein Satz im Passiv. Ängste und Panikattacken, Einsamkeit und ein Status als Außenseiter können einen so komplett umklammern, dass einem die Luft zum Atmen wegbleibt. Und trotzdem: Wie Du mit dem Psychoterror in Deinem Kopf umgehst, wie Du mit den Blicken der anderen umgehst, wie Du mit der Diagnose Deines Arztes umgehst, wie Du mit dem Mobbing an der Schule umgehst, wie Du mit Null Herzchen unter Deinem Selfie umgehst, das bleibt Dir überlassen! Wie Du Dich mental positionierst, wenn es hart auf hart kommt, das kann Dir keiner vorschreiben!

Der Verzweiflung nachgeben? Erwartungen erfüllen? Irgendwo, irgendwie Anschluss finden?

Oder welche Version von Dir würdest Du sein, wenn Du „die anderen“ heute zum letzten Mal sehen würdest? Welche Macht hätten noch Angst und Isolation, wenn Du plötzlich ein extrem wichtiges Ziel vor Augen hättest?

Es fühlt sich so selbstbestimmt an, doch das Outing „ich bin trans“ ist oft die größte Flucht in die Passivität überhaupt: Nicht einmal die Idee hatte man selbst. Sondern eher so das vage Gefühl: „Vielleicht trifft das auch auf mich zu?“ Und die fremde Idee reift, weil man erkennt, dass man nicht länger unbedeutend sein wird. Man wird scheinbar ein neuer Mensch, der für „diesen mutigen Schritt“ überall Anerkennung erfährt. Sogar einen neuen Namen und neue Pronomen darf man sich aufsuchen. All Eyes on me, heißt es plötzlich. Man schwimmt mit, man fügt sich in ein absolutes In-Thema.

Trans hat den Status, der absolut unantastbaren, schützenswerten Minderheit. Man ist plötzlich wer und man liefert die Erklärung für alle, warum man immer schon irgendwie anders war. Außenseiter und Mobbing-Opfer gewinnen mit dem Lable „trans“ ein Schutzschild. Es mag sich selbstbestimmt anfühlen, aber es ist ein Rückzug in eine Rolle, die gesellschaftlich nahezu unantastbar ist.

Warum also sollte man sich die Trans-Schablone überstülpen, um endlich wahrgenommen zu werden oder um angenehmer durchs Schulleben zu kommen? Es wäre nur ein Akt der Anpassung – alles, was mit dem Trans-Sein zusammenhängt, ist passiv. Man versteckt, wer man wirklich ist.

Neuer Name, neue Frisur, andere Klamotten, ganz selbstbewusst tritt man vor die Klasse und sagt, welche Pronomen jetzt gelten. In Wahrheit hat man sich tief zurückgezogen in diesen neuen Kokon, wie eine Raupe, die sich immer tiefer einspinnt.

Und dann wird man vollends zum Spielball der Rolle, in die man geschlüpft ist. Man ist nicht man selbst sondern nun ist man der Trans-Junge. Wieder sind es die Erwartungen der anderen, die vorgeben, wie man zu sein hat. „Ich bin aus der Nummer nicht mehr rausgekommen“, sagen Detransitioner mit viel zeitlichem Abstand, wenn sie begreifen, wie fest sie sich in ihrem Transgender-Kokon verwickelt hatten.

Die medizinischen Eingriffe, die dann jeder von einem erwartet, setzen der Passivität die Krone auf:

Sich Hormone verschreiben lassen? Sich die Brüste abschneiden lassen? Sich in die Mühlen der Medizin begeben? Ein Leben lang von Medikamenten abhängig sein? Man liegt nur da und lässt alles über sich ergehen. Das hat nichts aktiv Selbstbestimmtes sondern etwas depressiv Passives. Bevor man zum reinen Zuschauer im eigenen Leben wird, bevor man das alles über sich ergehen lässt, sollte man zumindest noch einen Versuch wagen, den Kokon zu sprengen.

Wie kann man den Schmetterling in die Freiheit schicken?

Gute Frage, das könnte ein nächster Blog werden 😉