Welche Möglichkeiten habe ich eigentlich noch?
A oder B!? Junge oder Mädchen!? Für immer im „falschen Körper“ leben oder Hormonspritzen und Geschlechtsoperationen in Kauf nehmen? Unsere vielfältige Welt der unbegrenzten Möglichkeiten steckt voller knallharter Gegensätze. Besonders beim Thema Trans scheint es nur Hopp oder Top zu geben. Einige Mädchen, die sich Trans-Gemeinschaften und Selbsthilfegruppen angeschlossen hatten, berichten, dass eine unausgesprochene oder auch offene Erwartungshaltung in den Gruppen vorherrsche, aufs Ganze zu gehen. Wer neu dazustößt und sagt, „Hallo, ich bin vielleicht trans“, der wird mit offenen Armen empfangen, und es steht von Anfang an eine Richtung fest. Das „vielleicht“ fällt unter den Tisch. Alles steuert auf die medizinische Radikalkur zu, oder anders gesagt: Es ist wie in einer ehrgeizigen Sportgruppe. Wer dauerhaft dazugehören und beliebt sein will, muss vollen Einsatz zeigen.
So geht es unzähligen Mädchen. Mit ihren anfangs offenen Fragen wie „Welche Geschlechtsidentität passt zu mir?“, „Wo gehöre ich hin?“, „Welche Möglichkeiten habe ich?“ geraten sie in einen Sog zunehmender Fremdbestimmung. Ein schreckliches Gefühl, dass viele Mädchen, die nicht ins Mädchen-Schema passen, oder passen wollen, ja vorher schon kennengelernt haben: Blöde Bemerkungen wie „Du bist ja gar kein richtiges Mädchen!“, „Du siehst ja aus wie ein Junge!“ oder auch Beleidigungen wie „Du Mannsweib“ und „Du hässliche Lesbe“ haben den inneren Identitätskonflikt massiv angeheizt. Die Botschaft dahinter: Wer als Mädchen gelesen werden will, soll gefälligst auch so aussehen! Die Folge ist, dass Mädchen, die nicht ins Muster passen (wollen), eine regelrechte Abscheu vor dem typischen Bild eines Mädchens entwickeln.
Man entwickelt im günstigsten Fall eine innere Protesthaltung „Ich bin wie ich bin!“ Doch leider folgt oft auch das Eingeständnis: „Dann bin ich eben kein richtiges Mädchen“. So oder so, man ist total verunsichert, und wer kommt mit so einer Situation alleine schon gut klar? Man sucht Anschluss, will verstanden und akzeptiert werden, in der Hoffnung, sich irgendwie wieder ein Stück Selbstbestimmung und Gelassenheit zurückzuerobern. Und dann sagt man halt: „Hallo, ich bin vielleicht trans.“ Und die Antwort lautet: „Hallo, auf der anderen Seite der Gesellschaft, willkommen in der Trans-Familie.“ Wieder dasselbe Schubladendenken, wieder dieselbe Fremdbestimmung nur unter umgekehrten Vorzeichen. Und dann ein zweites Mal zu sagen, „Halt stopp, das ist leider auch nichts für mich!“, das schafft nicht jeder. Viele bleiben hängen, sind froh über den loyalen Rückhalt in der Trans-Szene, solange man sich konform verhält, und gehen nach und nach all die Schritte, die dort eben erwartet werden.
Zwischen den Extremen gibt es aber so viel Spielraum. Die leise protestierende Stimme, die sagt „Ich bin doch wie ich bin“ ist eine natürliche und ganz gesunde Reaktion. Die Stimme kann man ruhig etwas lauter stellen – also erst einmal sich selbst zuhören, bevor man voreilig irgendwo Anschluss sucht! Und wer sich ein bisschen zuhört, der wird merken, dass nach und nach die ganzen Schubladen, die Etiketten der Zugehörigkeit, und die Stempel, die einem aufgedrückt werden, nicht mehr die alles entscheidende Rolle spielen.
Natürlich ist es unter Menschen wichtig, sich anhand äußerer Merkmale zu orientieren und das mündet zwangsläufig in Klischees. Unser Unterbewusstsein taxiert das Gegenüber in Bruchteilen von Sekunden und macht Kategorien auf: jung, alt, weiblich, männlich, sympathisch oder nervig. Selbst das Unterbewusstsein von Leuten, die von sich behaupten sie wären total offen und vorurteilsfrei, arbeitet genauso mit knallharter Mustererkennung.
Aber für Dich ist es wichtig, dass Du Dich nicht so sehr davon abhängig machst, was andere von Dir denken, oder davon, was Du denkst, was sie von Dir denken. Je ruhiger Du darüber nachdenkst, wer Du eigentlich bist, umso weniger braucht das Ergebnis am Ende einen Namen. Eigentlich braucht es nicht einmal ein konkretes Ergebnis. Eigentlich lautet das Ziel, dass man mit einem Schulterzucken und einem Grinsen im Gesicht sagen kann: „Ich bin wie ich bin!“ Wie andere Dich einordnen, ist deren Problem, nicht Deines. Die Kategorien „richtig“ oder „falsch“ sind nicht relevant, da es Dich ohnehin nur einmal gibt.
Falls Dir diese freie und losgelöste Selbstbestimmung etwas zu viel ist, und Du Dich mit äußeren Etiketten der Zuordnung doch etwas wohler fühlst, dann findest Du vielleicht folgende Begriffe interessant, um Dich von gängigen Geschlechterklischees abzugrenzen:
Gender-Nonconforming, gendervariant, nonbinär oder nicht-binär …